"Dienstleistungen vom Kunden denken."

01. August 2019

Gerhard Künne leitet die Mobility Unit der Volkswagen Financial Services. Welche Geschäftsfelder er in den Blick nimmt und warum, erläutert er im Interview.

Unternehmenskommunikation: Herr Künne, Neue Mobilität klingt nach Zukunft, hat aber in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Angebote hervorgebracht. Wie definiert die Mobility Unit ihre Aufgabe und auf welchen Feldern engagiert sie sich?

 

Künne: Seit einigen Jahren ist das Themenfeld New Mobility im Volkswagen Konzern präsent. Wir bei den Volkswagen Financial Services hatten dieses Geschäftsfeld als Handlungsfeld  bereits in unserer Strategie „WIR2018“ verankert. In den zurückliegenden Jahren haben wir eine große Anzahl von Unternehmen übernommen oder uns daran beteiligt, die in den so genannten Geschäftsfeldern der New Mobility tätig sind. Diese verschiedenen Geschäftsmodelle der Einzelgesellschaften bündelt die Mobility Unitunter einem Dach. Ziel ist es, Produkte international anzubieten, die dem Kunden bei der Fahrt im Auto Nutzen bringen oder die Mobilität über das eigene Auto hinaus erweitern. Parken war mal ein notwendiges Übel, heute können wir das erfolgreich als digitalen Prozess abbilden und liefern das mit einer App zum Kunden. Elektromobilität ist ein dynamisches Feld, da wird es beim Laden neben der reinen Funktion und Abrechnung auch um andere Features gehen: eine freie Säule mit einer App zu finden und vielleicht auch online schon schauen zu können, ob die Säule auch funktionsfähig ist. Das zeigt die Richtung an: Dienstleistungen vom Kunden denken, und digital verfügbar machen.

 

Unternehmenskommunikation: Parken, Laden, Tanken – das sind Dienstleistungen, die ja schon erfolgreich von den Volkswagen Financial Services angeboten werden.

 

Künne: Die Mobility Unit wird selbstverständlich bisher gemachte Erfahrungen nutzen. Strategisch verändern wir aber das Vorgehen. Wir haben beim Carsharing unseren Piloten betrachtet und festgestellt, dass wir mit unseren groß angelegten Strukturen nicht dynamisch und nah genug am Kunden waren. Also haben wir uns mit Greenwheels einen Partner gesucht, der wie ein Start-up mit schlanken Strukturen kontinuierlich an der Dienstleistungsidee arbeitet. So wollen wir in Zukunft Innovationen bei Mobilitätsthemen möglich machen. Wir werden nicht alles selbst entwickeln, sondern Unternehmer einbeziehen, welche die Entwicklung in den Genen haben.

Unternehmenskommunikation: Beim Parken haben die Volkswagen Financial Services bereits zwei Anbieter mit eigenständigen Marken. Volkswagen hat mit MOIA zunächst mal eine Dachmarke etabliert. Zahlen unabhängige Marken genug auf die Kundenbindung ein?

 

Künne: Wir wollen mehrere Vertriebswege nutzen. Das Auto, die Handelsorganisation, die Gesellschaften der Volkswagen Financial Services und der direkte Vertriebskanal der Mobility-Gesellschaften werden für den Erfolg der Geschäftsmodelle von Bedeutung sein. Wichtig ist, mit Hilfe der Mobility Unit werden wir die relativ jungen Mobility-Gesellschaften zu internationalen Kompetenzcentern ihrer Geschäftsmodelle entwickeln. Die Unternehmen sollen dabei ihre eigene unternehmerische Kultur weiterentwickeln. Für das Geschäftsfeld Parken wird die Markterschließung weiterhin von unserer Tochtergesellschaft „PayByPhone“ aus Vancouver und von Sunhill aus Erlangen vorangetrieben - seit einigen Wochen aber konsequent unter der Marke PayByPhone. Bei den Marktregionen und der Produktentwicklung gehen wir jedoch abgestimmte Wege. Genau hier steckt unter anderem die Verantwortung der Mobility Unit.

Unternehmenskommuniation: Wenn Sie eher auf dem Beteiligungsweg neue Ideen erschließen – wie viel Erfinderwerkstatt steckt in der Mobility Unit?

 

Künne: Die Mobility Unit wird mit ihren Mobility-Gesellschaften auch eine Erfinderwerkstatt sein. So sind wir aktuell dabei, das Geschäftsmodell Truck-Parking mit innovativen Leistungen zu entwickeln. Für den Ausbau dieses Geschäftszweigs haben wir Truck Parking Europe erworben. Mut und unternehmerischer Geist sind die Maxime für Ideen und Projekte. Wir werden Geschäftsmodelle am Markt testen, bevor sie bis zur letzten denkbaren Facette fertig sind, und was Kunden nicht annehmen, wird abgestellt, bevor Unmengen an Kosten auflaufen. Wir wollen künftig schneller unterwegs sein, den Transfer traditioneller Geschäftsmodelle erleichtern.

Unternehmenskommunikation: Selbstfahrende digitale Ökosysteme wie das „Self-Driving Car“ Sedric entwerfen bisherige Mobilitätsmodelle neu, indem sie zahlreiche  Umgebungsbedingungen des Verkehrs und des Stadtraums einbeziehen. Wird sich die Mobility Unit auch mit solchen Fragen beschäftigen?

Künne: Selbstfahrende Systeme, wie zum Beispiel so genannte Robo-Taxis oder ähnliche autonome Angebote, vernetzt mit den öffentlichen Verkehrsträgern,
werden sich in urbanen Räumen in der weiteren Zukunft sicher durchsetzen. Schon in der Peripherie kann das ganz anders aussehen. In kleinen Städten und auf dem Land werden wir noch lange Individualverkehr haben. Und auf Ballungsräume bezogene Konzepte taugen vermutlich nicht für die Fahrt
in den Urlaub. Da ergeben sich neue Chancen für Rental und Sharing-Modelle. Und auch wenn Sie ein System wie Sedric benutzen wollen, werden Sie dafür in irgendeiner Weise bezahlen müssen, dann sind wir mit unserer Payment-Lösung dabei. Es sei denn, der Supermarkt, den Sie ansteuern, bezahlt die Fahrt.

Unternehmenskommunikation: Ohne Individualverkehr gäbe es auch keinen Markt für Services mehr. Sedric dagegen braucht niemanden, der ihm einen Parkplatz vermietet.

Künne: Die Aufgabe liegt sicherlich in der Verknüpfung sinnvoller Angebote. Zum Beispiel in der Reservierung eines Parkplatzes am Rand der Stadt und einer kombinierten Buchung zur nahtlosen Weiterfahrt mit dem autonomen Fahrzeug. Das kann genauso in umgekehrter Richtung funktionieren, wenn ich am Rand ein Mietwagenangebot gebucht habe. Ich kann mir an vielen Stellen kombinierte Produkte vorstellen, die wir als durchgängige Geschäftsmodelle abbilden wollen.

Unternehmenskommunikation: Herr Künne, vielen Dank für das Gespräch.


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