„Eine klassische Make-or-Buy-Entscheidung“

08. Oktober 2021

Um in Brasilien das Flottengeschäft zu stärken, haben die Volkswagen Financial Services ein Joint Venture mit dem lokalen Anbieter LM gegründet. Jörg Pape, Geschäftsführer der Volkswagen Financial Services in Brasilien und gleichzeitig Regionalmanager für Südamerika erläutert im Interview mit der Unternehmenskommunikation die strategischen Ziele im Flottenbereich und gibt gleichzeitig einen spannenden Einblick in den brasilianischen Markt.   

Herr Pape, durch welche Trends ist der brasilianische Fahrzeug- und Mobilitätsmarkt gekennzeichnet?

Pape: Zum einen verschiebt sich der Markt von Privatkunden zu Gewerbekunden. Während Privatkunden noch bis vor einigen Jahren rund 75 Prozent der Neuzulassungen ausgemacht haben und Gewerbekunden nur 25 Prozent, liegt der Anteil nun mittlerweile bei rund 50 Prozent auf beiden Seiten. Zum anderen kaufen viele Kunden ihr Auto mehr und mehr online und auch die reine Nutzung des Fahrzeugs rückt stärker in den Mittelpunkt – ähnlich wie in Deutschland. Unsere Herausforderung ist, dass wir Aufholbedarf im Flottenbereich haben – also in einem wachsenden Marktsegment. 

Und genau von dieser zunehmenden Bedeutung im Flottenmarkt wollen Sie durch das Joint Venture mit LM profitieren?

Pape: Absolut. Bereits in 2017 wurde deshalb von unserer Seite in Brasilien das Unternehmen Fleetzil gegründet mit dem Schwerpunkt auf der Langzeitvermietung. Das Leasinggeschäft ist in Brasilien kaum relevant. An dessen Stelle tritt dort die Langzeitmiete mit dem gleichen Gedanken, nämlich das Auto zu nutzen, anstatt es zu besitzen. Trotzdem gehört zur Wahrheit auch, dass ein Großteil der Unternehmen immer noch finanziert – allerdings mit steigendem Trend zum Mieten.

Wie ist dann die Idee des Joint Ventures mit LM entstanden?

Pape: Wir standen vor einer klassischen Make-or-Buy-Entscheidung: Entweder der Ausbau unserer eigenen Gesellschaft, der Fleetzil, oder die enge Zusammenarbeit mit einem externen Partner. Aktuell ist der Langzeitmietmarkt in Brasilien geprägt durch drei große lokale börsennotierte Unternehmen, multinationalen Non-Captives, sehr kleinen Mikroanbietern sowie LM. LM steht für die Initialien des Gründers und Eigentümers Luiz Mendonca. Im Zuge der ersten Gespräche haben wir dann schnell festgestellt, dass sich beide Unternehmen sehr gut ergänzen und dass auch die Unternehmenskultur hervorragend zusammenpasst.

Inwiefern wird es eine Eingliederung der Gesellschaften geben?

Pape: Fest steht, dass wir kein zweites Braunschweig aufbauen, sondern den mittelständischen Charakter von LM auf jeden Fall erhalten wollen. Schließlich ist das ein großes Asset. Auch die Markenneutralität möchten wir zwingend beibehalten. Denn das erwarten auch die Kunden von uns. Im gleichen Atemzug werden wir aber unsere Fleetzil in LM integrieren, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden und die Prozesse zu optimieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir in den ersten Jahren eine Menge von LM lernen werden.

 

Wo sehen Sie die größten Synergieeffekte?

Pape: LM profitiert definitiv von unseren guten Refinanzierungsmöglichkeiten. Das Unternehmen hätte schon viel mehr wachsen können, wenn ein besserer Zugang zum Kapitalmarkt vorhanden gewesen wäre. Hinzu kommen unsere guten Kontakte zu den Marken des Volkswagen Konzerns. Wir hingegen profitieren von der Multibrand-Fähigkeit von LM, vom starken 40-jährigen Markenauftritt sowie besseren Prozessen und Systemen. Außerdem ist LM auch im Bereich der Lkw-Vermietung aktiv und pilotiert bereits seit einigen Monaten ein Auto-Abo-Modell. Dort sehen wir großes Potenzial.

 

Warum?

Pape: Wir beobachten, dass sich auch immer mehr Privatkunden mit Abo-Modellen beschäftigen. Derzeit bewegt sich der Anteil noch bei rund fünf Prozent. Allerdings gibt es klare Anzeichen dafür, dass sich dieser mittelfristig auf zehn Prozent oder mehr erhöhen könnte. Darüber hinaus sehe ich auch Möglichkeiten im Gebrauchtwagensegment Auto-Abos anzubieten. Das wäre die logische Konsequenz, wenn man bedenkt, dass wir perspektivisch rund 40.000 Pkw pro Jahr aus Vertragsrückläufern weitervermarkten müssen. Unser Ziel wird es sein, auch in Brasilien deutlich länger am Kunden und am Auto zu bleiben. 

Jetzt nochmal einen Blick weg vom Geschäft und in Richtung des alltäglichen Lebens in Brasilien. Was haben Sie sich bisher kulturell mitnehmen können?

Pape: Da ich bereits für einige Jahre in Mexiko gearbeitet habe, war der Kulturschock nicht so groß. Sao Pãolo ist allerdings in die Höhe gewachsen, sodass ich mit meiner Wohnung im 16. Stock eines 25-stöckigen Hauses nicht die Ausnahme, sondern die Regel bin. Interessant ist auch, dass die Stadt vor einigen Jahren sichtbare Werbung im öffentlichen Raum verboten hat, sodass alles recht sozialistisch und grau wirkt. Ansonsten ist die Stadt aber sehr international, unter anderem auch von japanischen und italienischen Einflüssen geprägt. Sich mit dem Auto zu bewegen ist erstaunlich entspannt, da es knallharte Strafen für Verkehrsvergehen gibt. 

 

Und wie steht es mit Kriminalität?

Pape: Sowohl Mexiko als auch Brasilien sind natürlich objektiv gefährliche Länder. Allerdings fühlt es sich hier in Sao Pãolo nicht so an. Hier kann man auch bei Einbruch der Dunkelheit, die aufgrund der Nähe zum Äquator schon früh einsetzt, in vielen Gegenden ohne Probleme auf die Straße gehen. Trotzdem sollte man vermeiden, teure Uhren oder sichtbare Wertgegenstände mitzuführen und darüber hinaus gibt es bestimmte Verhaltensregeln beim Parken und Ein- und Aussteigen ins Auto, die man berücksichtigen sollte. Das Risiko ist meines Erachtens beherrschbar.

 

Und die Kolleginnen und Kollegen?

Pape: Wir haben in Brasilien ein tolles Team, das gerne leidenschaftlich und professionell an den Themen von heute und morgen arbeitet. Insgesamt sind die Brasilianer aber deutlich lockerer und weniger formal, was sich auch in der Kleidung widerspiegelt. Zum Beispiel haben wir vor Corona auch einen „Bermuda-Day“ eingeführt. Das kam sehr gut an. 

Herr Pape, besten Dank für diese spannenden Einblicke!


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